Mittwoch, 11. November 2009

Goethe missgönnt den echten Scharlatanen ihre Anhängerschaft


Ohne die genaueste Kenntnis der Physik, der Astronomie, der menschlichen Psychologie, der Schmerzkunde kann ein Scharlatan nie zu Glanz gelangen.  Verlangt wird - Üben, hartes Training, keine schlafwandlerischen Ergüsse.  Goethe konnte sich nicht zurückhalten; er besuchte einen alten Schlarlatan - um sein Desinteresse zu demonstrieren.  Die Apparatur eines solchen Wirkens aus der Nähe sehen zu müssen, war für ihn ein 'quälender Anblick'.  Wenn es um die große Irreführung, die wirksame Massenlüge ging, dann sollte nur Goethe zuständig sein.  Von den "Qualen der Vernunft" spricht er.  Was quält ihn so sehr?  Der Scharlatan hat eine Anhängerschaft, die, meint Goethe, ihm verlustig gehe.  Möchte Goethe denn die Anhängerschaft eines Scharlatans an sich binden - um selbst Scharlatan zu werden - ohne die harte Arbeit natürlich?  Die Anhängerschaft eines Scharlatans ist doch, laut Goethe, der Unvernuft verfallen.  Eine solche Anhängerschaft sollte ein Aufrichtiger gar nicht erst begehren.  Wenn er sie 'retten', zur 'Vernunft' bringen möchte, würden sie höchst wahrscheinlich überhaupt aufhören eine Anhängerschaft zu sein.  So hätte er sie nur an sich gebunden um sie auf immer zu verlieren.  Entweder ist die Anhängerschaft, die eines Scharlatans oder sie ist keine.  Bestand die Scharlatanerie Goethes in seiner verbotenen Begierde Scharlatan zu sein?

Der Scharlatan ist auf eine Weise besessen, die ihn dem Künstler ähnlich macht. Seine erstaunlichen Leistungen sind zum großen Teil verlogen. Die öffentlichen Lobpreisungen sind hauptsächlich von ihm selbst in die Welt gesetzt. Dennoch sind sie Chiffren echter heimlichen Fähigkeiten, eben denselben, die seine illusionären Wunder vollbringen. Der Feind der Meinungsfälscher ist der Wahrsager.  Falsche Scharlatane sind Lügner auf der Straße und auch in ihren Stuben.

miserum hunc hominem omni auxilio destitutum (diesen elenden, von aller Hilfe verlassenen Menschen):  Urteil des Praefectus Dominii Pottenbrunnensis über den Maler Christoph Haitzmann, ein Maler der einen Pakt mit dem Teufel abschloss, als er in seiner Kunst nicht weiter kam.  (aus: Sigmund Freud, "Eine Teufelsneurose im Siebzehnten Jahrhundert")














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