Samstag, 14. November 2009

Falsche Gefühle


"Nach den Berichten der Zeugen ward lustlos gefoltert, lustlos gemordet und darum vielleicht gerade so über alles Maß hinaus."
(aus: "Unmaß für Unmaß" in Theodor W. Adorno, Minima Moralia, 1980, s.131)


Leider hat Karl Heinz Bohrer sein antipfäffisches Auge am falschen Gegenstand geschult: Der Folterer als Pfaffe, Ernst Jünger.  Wie üblich ist der Pfaffe ein erfolgreicher "Nachäffer von Gefühlen und Empfindungen" (Schopenhauer).  In diesem Fall sind es jene des Foltermeisters.  De Sade und Poe sollten Jünger dabei als Vorlage gedient haben.  Aber der Fälscher, der Kopist, der Hochstapler kann die Versprechungen, die er verteilt, nie einhalten.  So weit kann er nicht gehen.  Folglich enttäuscht er immer.  Wenn Folter das Erkennungszeichen des Bösen sei, dann hätte Jünger lieber bei den Päpsten als bei de Sade Inspiration suchen sollen.  Dort käme er schneller und reichlicher auf seine Kosten.  Bohrer vergaß auch dies zu erwähnen, de Sade war ein Pfaffen Hasser und ein merkwürdiger Republikaner.  Auf jeden Fall stand er auf der Seite der Kerkerinsassen - egal wo.  Jünger könnte man sich eher in der Kardinalsrobe vorstellen, als Autor des Hexenhammers oder als "Arzt" im KZ.   In den fingierten "Traumszenen" in "Das Abenteuerliche Herz" lässt Jünger  seine Folterknechte als Mönche auftreten, er selbst als Mönch und "Beobachter" des Verhör-und-Folter Rituals.  "Unser Führer" wird gemartert.  Die Folterer führen sein Blut in schäumenden Kelchen zum Munde.  Bohrer erwähnt, dass Jünger über eigenes Erlebnismaterial aus der Zeit der 'Fememorde' verfügte.  Dass er mehr von der "Theologie" als von de Sade geprägt war, zeigt sich auch an seiner Benutzung von barocken Passionsbildern als Vorlagen für seine Foltergestalten.


Jünger ist ein Voyeur, ein Gaffer, einer, der den "Anblick der Qualen", der ihm von 'Amtswegen' zugefallen war, metaphorisch verkleidet, bevor er sich rechtzeitig davonschlich.   Außerdem übertreffen die positiven christlichen Visionen der Höllenqualen in Dantes "Inferno", in ihrer Straf-Lüsternheit, ihrer "Schmerzmetaphorik", bei weitem "das System" de Sades.




Dieselbe natürliche und geschichtliche Zusammengehörigkeit von Inquisition und KZ, die in Jüngers Schriften herumgeistert, ist in manchen zeitgenössischen 'links-Heideggerianischen' Philosophien wieder freigelegt worden.  Die urtümliche Verschmelzung von paulinischer Theologie und Folterkunde wird in unseren Tagen in den Philosophien von G. Agamben und anderen noch einmal dialektisch mystisch entfaltet.















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