Sonntag, 8. November 2009

Die Alchemie des Schreibens



Die Alchemie des Schreibens findet dann statt oder hat dann stattgefunden, wenn man genauso süchtig an das Schreiben geht, wie man sich früher den Gedanken der Verliebtheit  hingegeben hatte.  Nicht weil das Schreiben jene Verliebtheitsgedanken ersetzt hätte – sondern weil das Schreiben sich von dem abgeschlossenen Gefühl nährt – weil das Schreiben der einzige Erbe des Gefühls ist, was das Gefühl nicht in der Wirklichkeit wiederbelebt, aber die Kraft der süchtigen Gewohnheit für sich ausbeutet.  Ohne das Gefühl je gefühlt zu haben, hätte man über eine solche Kraft für das Schreiben nicht verfügen können.  Man schält die süchtige Gewohnheit vom toten Gefühl ab, um jene Sucht dem Schreiben zur Verfügung zu stellen.  Daraus könnte man schließen Sokrates hatte die schöne Knaben nie wirklich geliebt – sonst triebe ihn seine süchtige ‚vergebliche’ Liebe zum  Schreiben hin.

Deshalb meint Proust, die Intelligenz spielt beim Kunstwerk (des Schreibens) keine oder nur eine geringfügige Rolle.  Die Intelligenz nimmt an einer solchen Sucht nicht teil.  Oder das was süchtig wird ist nicht die Intelligenz.  Die Sucht kann aber die Intelligenz in ihren Dienst stellen – wie jeder Trieb.  Die Triebhaftigkeit steckt hinter der Idee, dass die Form des Schreibens über eine Obsession selbst eine Obsession– oder eine obsessive Form sei.  So wie Novalis sagt – der Vortrag der Mathematik muss mathematisch sein.  Ob Badiou mathematisch denkt oder schreibt?  Er bedient die Mathematik wie auf der schlechten Bühne – als deus ex machina.  
    Observer 1
 

Das Schreiben handelt von Obsession und die Form des Schreibens ist auch eine Obsession.
Die Entstehung solch einer Schreib-Obsession aus einer verendeten Liebe beschreibt Kierkegaard in “Die Wiederholung“.  Die Wiederholung findet eigentlich nur im Schreiben statt.

Kunst ist das was man nicht durch Wissen erreichen kann.  Man kann es eher dadurch verlieren.


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