Freitag, 21. Februar 2014

Uralte Gedanken zur Tyrannei


Ich versuche meine ausgefransten Überlegungen von gestern zu sammeln:  Nicht die bösartige Anarchie (Hobbes) oder die gutartige indifferente Isolation (Rousseau) ist der Naturzustand der Menschheit, sondern die Tyrannei.  Tyrannei bedarf kein Gegenüber, sie ist vollkommen autark.  Ein Mensch kann über sich, über die Gegenstände, über die Dinge, die lebendige nicht menschliche Natur Tyrann sein.  Um so mehr kann er Tyrann über andere Menschen, ihr Wesen und ihre Handlungen sein.  So wie die Liebe angeblich die „Gesetze“ aufhebt (den „Ausnahmezustand“ einführt) – man mordet, stiehlt, verstümmelt, lügt, opfert sich selbst auf für die Liebe.  Die Liebe kennt keine Häßlichkeit in dem Geliebten, man ist nachlässig, vergißt Prinzipien, Idealen (die Liebe benötigt keine Idealität).  So auch in der Tyrannei.  Die Tyrannei ersetzt alle Regeln, ist sich selbst eine Regel.  Die Tyrannei ist reine Empirie, das Faktische per se.  Deshalb gedeiht sie so wunderbar unter Menschen der Zeugwelt – die das außerordentliche Praktische lieben.  Tyrannei ist nicht ausreichend als Alleinherrschaft beschrieben.   Das „Allein“ suggeriert eine kohärente Einheit, ein alles überschauendes Eins, ein Individuum (gleich welcher Form).  Gerade die Tyrannei hebt diese Einheit auf.  Die Diffusität herrscht, nicht das Einzelne.  Nicht gleichzusetzen mit der Willkür oder dem Zufall.  (Eine weitere Frage für den Salon: Wie klingt ein Gespräch zwischen zwei herkömmlichen Tyrannen?  Wie ein leeres Fußballstadium vollgestellt mit von Geisterhänden bewegten klappernden alten Schreibmaschinen, die unisono fortwährend den Namen Heidegger tippen?)

Nachtrag:

Gerade in Cicero gelesen – dort wo man am besten die erhabene Sicht auf alle  kleinlichen unförmigen menschlichen Intrigen bekommt – auf der Toilette – daß Antony Papiere von Caesar verwendete um „Freibriefe“ (charters) zu legitimieren, die Steuerbefreiung und sogar das Bewilligen von Bürgerrechten gewährleisteten.  Jene Papiere stellten sich später als Fälschungen heraus. Caesars eigener Schreibgehilfe hatte sie gefälscht.






Samstag, 15. Februar 2014

Die Wacht am Rhein (Hölderlin II)


(Hölderlin, Cosi Fan Tutte, Tosca, The Pit and the Pendulum.  Die Reste in einer Kaffeetasse oder in einer Streichholzschachtel.)


In Hölderlin strömt der Rhein.  Als reines Buchstabenrätsel.  Die Buchstaben sind seine Buchten und Häfen.  Außerdem, enden die Namen vom Dichter und vom heiligen Fluß beide mit in.  Überhaupt ist in ein wiederkehrendes Buchstabenpaar in  seinem Gesang – Der Rhein – wohin, fernhin?  Also vergleicht er sich mit dem Rhein?  Krumm sind seine schluffigen Ufer.  In seinen Gesängen glänzen Augen (der Gottheit), Ströme, kupferne Geräte, Jünglingshäupter, Rennbahnstaub auf nackten Oberarmen.  Die Stimmung ist freiheilig.  Himmlische Halbgötter, Heldenwiege und Schlangenkampf.  Herkules kämpft mit der Schlangenmutter – alle Gesichter und verlassene Heiligtümer werden fortwährend vom milden Regen reingewaschen.  Aber vom Göttlichen wird die schweifende Horde „in spielenden Lüften“ lautlos niedergeschlagen.  Dennoch ist es ein süßes Entschlafen.  Sie sind Schlachtgesänge, aber man erfährt nie wo wirklich gekämpft wurde.  Hölderlin beschreibt die Stimmung vor dem Kampf (heroisch) und nach dem Kampf (elegisch).  Den Kampf und die Schlacht selbst klammert er aus.  Keine germanische Ilias.  „Doch einige wachten.“