Ich versuche meine ausgefransten Überlegungen von gestern zu sammeln: Nicht die bösartige Anarchie (Hobbes) oder die gutartige indifferente Isolation (Rousseau) ist der Naturzustand der Menschheit, sondern die Tyrannei. Tyrannei bedarf kein Gegenüber, sie ist vollkommen autark. Ein Mensch kann über sich, über die Gegenstände, über die Dinge, die lebendige nicht menschliche Natur Tyrann sein. Um so mehr kann er Tyrann über andere Menschen, ihr Wesen und ihre Handlungen sein. So wie die Liebe angeblich die „Gesetze“ aufhebt (den „Ausnahmezustand“ einführt) – man mordet, stiehlt, verstümmelt, lügt, opfert sich selbst auf für die Liebe. Die Liebe kennt keine Häßlichkeit in dem Geliebten, man ist nachlässig, vergißt Prinzipien, Idealen (die Liebe benötigt keine Idealität). So auch in der Tyrannei. Die Tyrannei ersetzt alle Regeln, ist sich selbst eine Regel. Die Tyrannei ist reine Empirie, das Faktische per se. Deshalb gedeiht sie so wunderbar unter Menschen der Zeugwelt – die das außerordentliche Praktische lieben. Tyrannei ist nicht ausreichend als Alleinherrschaft beschrieben. Das „Allein“ suggeriert eine kohärente Einheit, ein alles überschauendes Eins, ein Individuum (gleich welcher Form). Gerade die Tyrannei hebt diese Einheit auf. Die Diffusität herrscht, nicht das Einzelne. Nicht gleichzusetzen mit der Willkür oder dem Zufall. (Eine weitere Frage für den Salon: Wie klingt ein Gespräch zwischen zwei herkömmlichen Tyrannen? Wie ein leeres Fußballstadium vollgestellt mit von Geisterhänden bewegten klappernden alten Schreibmaschinen, die unisono fortwährend den Namen Heidegger tippen?)
Nachtrag:
Gerade in Cicero gelesen – dort wo man am besten die erhabene Sicht auf alle kleinlichen unförmigen menschlichen Intrigen bekommt – auf der Toilette – daß Antony Papiere von Caesar verwendete um „Freibriefe“ (charters) zu legitimieren, die Steuerbefreiung und sogar das Bewilligen von Bürgerrechten gewährleisteten. Jene Papiere stellten sich später als Fälschungen heraus. Caesars eigener Schreibgehilfe hatte sie gefälscht.
Gerade in Cicero gelesen – dort wo man am besten die erhabene Sicht auf alle kleinlichen unförmigen menschlichen Intrigen bekommt – auf der Toilette – daß Antony Papiere von Caesar verwendete um „Freibriefe“ (charters) zu legitimieren, die Steuerbefreiung und sogar das Bewilligen von Bürgerrechten gewährleisteten. Jene Papiere stellten sich später als Fälschungen heraus. Caesars eigener Schreibgehilfe hatte sie gefälscht.