Dienstag, 22. Januar 2013

Kafka Spiegel Verkehrt


Kafka und Unfälle – und das Glas Labyrinth – das Gericht – mit der Kneipe „Prinzessin Louise“ vermengt/verknotet – bemerkenswerte Harem-Architektur, - was am nächsten erscheint ist am weitesten entfernt und hinter Spiegeln.  Da wohnen Prinzessinnen mit den Ober-Eunuchen zusammen.  Es tauchen animalische Münder in der Swedenborgischen Kommunikation von Engeln unter, kein Haar sieht hervor, ein verbotenes Fließen durch offene Gefäße. 

H.C. versteht leicht die irdische Seite von Kafkas Gericht – sogar sein widernatürliches Selbst-Verbergen, die unausgesprochenen (Feierabend, außeramtlichen, Liebhaber) Urteile und die Hinrichtungen hinter der Bühne (hinter den Kulissen, in der Nullgasse).  Er steht im Zwielicht der glänzenden Theke flankiert von zwei schmiegsamen Anhängerinnen – ihre Körper fließen/strömen/rinnen zu einer wiegenden Amphore zusammen.

Aber versteht er jenen Teil des Gerichts, der über das (über)irdische Gericht hinausragt, der davon abgebrochen ist, und möglicherweise alles überschwemmt?  Von jener Art Gerichtsbarkeiten scheint die ‚sicheh’ „Mitsammen“ von Reb Mendel von Kotsk zu handeln, die in Bubers Die Erzählungen der Chassidim zu finden ist:

“Der Kotzker Rabbi sprach: “Es heisst im Psalm: ‘Die Gerichte des Herrn sind Wahrheit, gerecht sind sie mitsammen.’  Du siehst in dieser Welt über den einen Menschen solch ein Gericht, über den anderen ein jedem scheinbar widersprechendes und du staunst und kannst es nicht begreifen, wie beides gerecht sein soll.  Aber in der kommenden Welt wirst du sie mitsammen sehn, und daß mitsammen sie gerecht sind.”” (Martin Buber, Die Erzählungen der Chassidim, Zürich, 1949,  p. 783)

Auf der gegenüberliegenden Seite ist noch ein Text der der Vision Kafkas nahe kommt – „Der Herr der Burg“ – vielleicht schimmert auch im „Schloß“ Kafkas etwas von dieser irdischen-überirdischen Burg.  „Der Herr der Burg“ bezieht sich auf ein  berühmtes Gleichnis des Midrasch (Genesis rabba XXXIX)  - das Gleichnis spricht „(...) von einem, der unterwegs eine Burg in Flammen sah, ohne daß jemand am Löschen war, und dachte, das sei eine Burg ohne einen Verwalter, bis der Burgherr auf ihn niedersah und sprach: „Ich bin der Herr der Burg.“  Als Rabbi Mendel die Worte aussprach „Ich bin der Herr der Burg“, fiel auf alle, die dastanden eine große Furcht, denn sie empfanden alle: die Burg brennt, aber sie hat einen Herrn.“ (ibid., p. 782) 

Kafka ist gleichzeitig der Herr der Burg und der, der unterwegs ist und die brennende Burg sieht – und den Gedanken ausspricht – dies sei eine Burg ohne Verwalter.  Die brennende Burg ist der Dauer-Unfall als Weltengrund.  Herr der Burg ist aber nicht gleich der Verwalter der Burg.  Die Position oder Stelle des Verwalters bleibt auf ewig unbesetzt.  Der Verwalter wäre der Zuständige, derjenige der vom Amt her sich anstrengen müßte, den Brand zu löschen.  Das brennende Haus ist auch im buddhistischen Noh ein Gleichnis der Welt.  


 © Shannee Marks, January 2013








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