Sonntag, 9. März 2014

Stippvisite


Die Tochter von Amlot kam einfach so auf eine Stippvisite vorbei - mitten in der Woche.  Ihr Verlobter war dabei.  Er fuhr das neue Auto.  Wahrscheinlich der Grund des Besuchs.  Sie stieg aus dem Auto aus und betrachtete sofort mißmutig das Dach.  Der Verlobte drehte sich um, ebenfalls die Stelle anzukucken.  Ein schlechter Anfang.  Seit die Tochter in der Hauptstadt lebt, kleidet sie sich nie ohne sich nicht darüber Gedanken gemacht zu haben.  Heute trug sie ein schwarzes Trikot mit rundem Ausschnitt mit einer ähnlich runden schweren schwarzen Kette. Von meinem Fenster aus sah ich zuerst nur ihre obere Hälfte.  Was folgte entsprach nicht meinen Erwartungen.  Unterhalb ihrer Taille blühte ein weiter Rock aus irgendeinem dünnen farbigen Stoff.  An ihren Hüften wurde das Ganze zu einem Reifrock.  Schwarze Stöckelschuhe und  Schultertasche.  Der junge Mann erlaubte sich in kurzen Hosen anzutreten bei seinen zukünftigen Schwiegereltern.  Er studierte die Türklingel, als ob er noch nie da gewesen wäre.  Die Tochter ging ins Haus, als ob sie noch nie stundenlang regungslos aus dem Fenster des zweiten Stocks herausgestarrt hätte.  Später kamen die Eltern mit heraus.  Das Auto wurde vorne unter der Haube inspiziert und ganz allgemein begutachtet.  Die Mutter lachte laut, deutete mit den Fingern, winkte, schickte an irgend jemanden Grüße.  Ihr Winken war ein Fingerpressen gegen den Handteller.  
 
Aus wie vielen solcher Stippvisiten wurde schließlich der Selbstmord der Tochter gebaut?